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Victoria Wolff: Die Welt ist blau. Ein Sommer-Roman aus Ascona

Roman // AvivA // 2017 // Herausgegeben und mit einem Nachwort von Anke Heimberg
224 Seiten //  15,00 Euro // Taschenbuch

Es ist 1933 und die junge Frau Ursula fährt mit ihrem Geliebten Peter Mack in den lang ersehnten Sommerurlaub. Sie fahren mit dem "Silbergrauen", wie sie Peters Cabrio liebevoll nennen, ins Blaue, Richtung Süden. Ursula ist zwanzig, hat studiert, ist liberal erzogen worden und ziemlich emanzipiert. Peter ist schon älter, war im Krieg, ist Rechtsanwalt und liebt Ursula, besonders wegen ihrer jugendlichen "Frische".

Es ist der erste gemeinsame Urlaub, man will sich noch abtasten, sehen ob man wirklich zusammen passt. In Ascona am Lago Maggiore wohnen die beiden in einem schönen Hotel - natürlich in getrennten Zimmern - und werden als Neuankömmlinge auch gleich von den übrigen Hotelgästen in Beschlag genommen. Man macht gemeinsame Ausflüge, tanzt nach dem Abendessen in der Hotelbar und kommt sich näher. Sehr schön beschreibt Victoria Wolff hier das typische Ferienleben in einem Hotel in der Sommerfrische.

Während Peter am liebsten jede Minute mit Ursula verbringen würde, will diese manchmal eine Auszeit: Allein in der Hotelhalle sitzen und Briefe schreiben oder zum See schwimmen gehen. Dabei kommt sie mit Hubert von Reuchlin, einem Zauberer und Illusionisten ins Gespräch. Hubert von Reuchlin gibt im Ort Vorstellungen und Ursula soll ihm dabei assistieren. Peter gefällt diese Bekanntschaft gar nicht und seine moralische Wertvorstellungen und Ursulas offenes und selbstbestimmtes Wesen führen schnell zu Spannungen und Konflikten.

Das Tolle an der Geschichte von Victoria Wolff ist, dass Ursula auch Ursula bleibt, Peters moralischem Druck nicht nachgibt. Und auch als es Peter durch eine kleine Intrige gelingt, Ursula in eine Situation zu bringen, in der sie Hilfe und seinen männlichen Schutz sucht, gelingt es ihr schnell wieder einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch als sie kurz darauf hinter Peters kleinen Betrug kommt, verlässt sie ihn nicht in Wut und Enttäuschung, sondern drängt auf eine klärende Aussprache. Und so können sich die beiden Dank Ursulas Klugheit wieder versöhnen und sogar ganz modern einen "Liebes"-Vertrag abschließen.

Über die deutsch-jüdische Autorin Victoria Wolff, die 1903 geboren wurde, 1933 nach Ancona emigrierte und 1941 in die USA, wo sie 1992 in Los Angeles starb, gibt es viel zu sagen. Auch über die Zeit und die nach Hitlers Machtübernahme nach Ascona emigrierten Künstler wie Erich Maria Remarque. Das hat jedoch schon Anke Heimberg im Nachwort ausführlich und hervorragend gemacht.

Der Roman erschien 1933 als Vorabdruck in der Neuen Zürcher Zeitung, später als Buch. Das Bild, das Victoria Wolff von der "modernen" Frau entworfen hat, hat mir sehr gut gefallen und bekommt durch Anke Heimbergs Ausführungen den richtigen Rahmen.

Indiebookweek Tag 2

Für das Rezensionsexemplar danken wir:

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